Westaustralien

07. Februar – 06. März 2014

Wir wollten Abenteuer – doch bitte nicht schon am Mietwagenschalter… So schön war geplant, von West nach Südost zu tuckern, von Perth nach Melbourne. Doch leider haben wir in Asien lesen verlernt und stellen im Flughafen von Perth fest: 3000 Dollar „Einweg-Gebühr“ für den Rücktransport des Wagens sind zu entrichten. Um diese zu umgehen, müssen wir das Auto wieder hier in Perth abliefern. Und somit anstelle von Süd- und Südostaustralien den Westen des Kontinents bereisen – jetzt in der Nebensaison nur selten besucht; auch der Loose hält sich insachen Westaustralien eher bedeckt. Wir tragens mit Fassung und fahren im Linksverkehr das erste Mal in unserem Leben durch den australischen Busch.

Das „Outback“ ist gleich um die Ecke; es bedarf nicht mehr als 70, 80 Kilometer ins einsame, trockenheiße Hinterland. Wir bremsen oft abrupt angesichts bunter Kakadus, zutraulicher Kängurus, meterlanger Warane und blauzungiger Riesenechsen. Ein Kaninchenfriedhof (mit Grabsteinen) und verbrannte Autowracks sind bizarre Hinweise auf menschliche Zivilisation. Wir merken schnell: auf australischen Highways fährt man ziemlich einsam. Die untergehende Sonne taucht die Prärie mit ihren knorrigen Bäumen und brach liegenden Weizenfeldern in ein erdiges Rot.

Ich erinnere mich an die Abenteuer von Malcolm Douglas. Als Kind hätte ich allerdings nicht gedacht, einmal selbst diesen Kontinent zu erfahren. Nun stellen wir nahe des Waverocks erstmals unser Zelt unter dem australischen Sternenhimmel auf und lauschen dem Klagelied der Raben (das an eine rollige Katze erinnert). Ich denke weder zurück noch nach vorne; weder an zu Hause noch an mich selbst. Die Weite des Outbacks nimmt mich vollkommen ein.

Die Stadt der Hoffnung, Esperance, ist Ausgangspunkt des Cape le Grand-Nationalpark an der Südwestküste Australiens. Zwischen wuchtigen Klippen und hügeligem Hinterland erstrecken sich weite Sandstrände, so gleißend weiß und schön, dass uns die Augen schmerzen. Dagegen kontrastiert der tintenblaue Indische Ozean, der in den flachen Buchten hellblau und schließlich türkis schimmert.

Und als wäre ein Klischee nicht genug, balgen sich einige Kängurus am Strand. Wir staunen mit offenem Mund und sind uns sicher, eine solch beeindruckende Natur seit langem nicht mehr gesehen zu haben.

Die Karribäume an der Südwestküste erreichen eine Höhe von bis zu 100m und sind etwa 400 Jahre alt.

„Ich bin doch kein Misthaufen!“, jammert Daniel und fuchtelt vergebens, um die unzähligen Fliegen aus dem Gesicht zu vertreiben. Die Erkundung des Kalbarri-Nationalparks mit seinen rostroten Felsschluchten und Steilklippen macht uns nicht nur aufgrund der Gluthitze schwer zu schaffen. Tagsüber kleben ganze Fliegenschwärme auf der Suche nach Wasser an uns und kriechen in Augen, Nasen- und Ohrlöcher. Daniel verschluckt gar zwei. Ich helfe mir mit Ohrenstöpseln aus, letztlich wird eine Mütze mit angenähtem Fliegennetz zum treuen Begleiter.

Nichtsdestotrotz: das landschaftliche Farbenspiel beeindruckt auch mit Maschen vorm Gesicht.

Das Outback erweist sich zuweilen als ziemlich lebens- bzw. Wildcamper-feindlich. Fliegen und Backofenhitze als permanente Herausforderungen ausgenommen, erleben wir allabendlich eine andere tierische Überraschung. Einmal schlängelt ein riesiger Hundertfüßer flink auf mich zu, ein anderes Mal übergroße Kakerlaken (ich dachte, die gibts nur in asiatischen Hotelzimmern…). Weiterhin entdecke ich nach dem „Duschen“ fette Zecken an meinem Bein, die eigentlich nur im Sand gelauert haben können. Eine schwarze, haarige Tarantel beendet das romantische Sternschnuppenzählen. Einen noch größeren Schreck jagt uns der handtellergroße Skorpion ein, der sich beim Abendbrot dazu gesellt. Später entdeckt Daniel sieben weitere, ein Skorpion krabbelt nachts hörbar die Zeltwand entlang.

Auch im Outback muss das Kraut weg.

Mit auf der Sightseeing-Liste: ein australisches Krankenhaus. Daniel hatte sich bereits in Laos den Fuß verstaucht, ein Band knartze – glücklicherweise jedoch ohne zu reißen. Er erhält einen Stützstrumpf und kann sich um ein paar harte Bushwalks drücken. Beim Schnorcheln am Weltnaturerbe des Ningaloo Reefs werfen wir allerdings jegliche Schonungsmaßnahmen über Bord. Stundenlang schwimmen wir mit Stachelrochen, Schildkröten und Delfinen, beobachten die ungezählten bunten Fische des Korallenriffs, ärgern Mördermuscheln und Seegurken.

Zwei Wochen reisen wir mit Monika und Friedemann – rüstigen Frührentnern mit einer gefährlichen Mischung aus norddeutschem und Berliner Humor, die Australien bereits zum 25. Mal mit dem Jeep durchfahren. Wir kochen, genießen die weinschweren Abende im Busch, lachen Tränen. Beim gemeinsamen Angelausflug fange ausgerechnet ich Vegetarierin einen Fisch, während ich kurz auf Daniels Angel aufpasse.

Exmouth markiert den nördlichsten Punkt unserer Route, wir zweigen ab gen Osten. Die Temperaturen erreichen hier zur Mittagszeit 42°C im Schatten und die aufkommenden Winde sind heiß wie ein Fön. Wir folgen der Hamersley Range in die hügelige, ausgedehnte Landschaft der Pilbara, die im Licht der Dämmerung in allen erdenklichen Pastellfarben leuchtet.

Das Gestein ist so alt wie die Erde selbst, der hohe Eisengehalt verleiht dem Boden eine glutrote Farbe. Das Wasser der seltenen Regenfälle schliff tiefe Schluchten in die harten Felsen, kühle Pools entstanden. In diesen Billabongs ahlen wir unsere hitzegeschwächten Körper. Die schönsten Canyons wurden im Karijini-Nationalpark unter Schutz gestellt.

Kookaburra.

Hier weiter im Landesinneren wurden ganze Städte in der Nähe riesiger Tagebauten aus dem Boden gestampft, Oasen des Wohlstands in der öden Steppenlandschaft. Ein einfacher Minenarbeiter verdient hier um die 250.000 Dollar. Dazu sind Sprit und Lebensmittel subventioniert, ganze Häuser gestellt. Ein 2 km langer Zug bringt jährlich einige Millionen Tonnen des roten Goldes an die 600 km entfernte Küste; Australien ist der größte Eisenerzexporteur der Welt. Zudem flößen uns die „Road Trains“ genannten Sattelschlepper gehörigen Respekt ein: mit bis zu vier Anhängern und 100 Rädern, 50 m lang und 150 Tonnen schwer.

Dieses Spielzeugauto findet noch auf einem Road Train Platz.

Diesen Monstertrucks möchte man nicht in die Quere kommen, vor allem Kängurus werden oft brutal aus dem Weg geräumt. Doch plötzlich knallt es auch an meiner Fahrertür, es scheppert und splittert. Ein großes, suizidales Känguru ist uns in die Seite gerannt! Der Spiegel abgerissen, die gesamte rechte Flanke demoliert, die Tür verkeilt, das Tier tot. Als wir uns dem polizeilichen und versicherungstechnischen Prozedere stellen, sitzt der Schreck noch in den Knochen.

Beim Bushwalk durch die Pinnacles können wir uns endlich vom Geschehen erholen – und staunen über tausende von Kalksteinsäulen, die sich in den stahlblauen Himmel recken.

Niemand weiß genau, wie die Pinnacles tatsächlich entstanden sind – wahrscheinlich handelt es sich um vom Sand verschüttete und versteinerte Baumstämme.

Zurück in Perth habe ich das nagende Gefühl, nur einen Bruchteil Australiens kennengelernt zu haben. Erzählungen steigern meine Neugier: von zehrenden Outback-Durchquerungen und dem Norden des Landes mit seinen Krokodilen und Regenwäldern. Der Drang zurückzukehren ist groß! Nun geht es erst einmal auf‘s herbstliche Tasmanien, ein raues Trekkingparadies, gebeutelt von antarktischen Stürmen, und eines der letzten Wildnisgebiete der Erde …