Bolivien

03. Juni – 26. Juni 2014

Von San Pedro aus überqueren wir via Jeeptour die bolivianische Grenze und sind froh, einmal nicht selbst fahren zu müssen, aber bekocht zu werden und in einem echten Salzhotel zu schlafen. Ich genieße die Gespräche mit anderen (Leipziger) Touristen, blieb uns doch in den vergangenen Monaten mit Zelt und Mietwagen zumeist „nur“ Zweisamkeit. Fast geraten da die farbenfrohen Lagunen des Altiplanos in den Hintergrund.

Flamingos an der Laguna Colorada.

Schwefel färbt den Schlick, es riecht entsprechend streng.

Der weltweit größte Salzsee ist das Ziel unserer Tour. Noch vor Sonnenaufgang erreichen wir den Salar de Uyuni, der Fahrer schaltet die Scheinwerfer aus und wir streifen wie Schatten über diese unendliche Salzwüste.

Über 10.000 Quadratkilometer misst der Salar, ein abflussloses Becken auf etwa 3.600 m Höhe. Wir bitten den Fahrer uns auszusetzen und ein großer Traum wird plötzlich Realität: ganz alleine zelten wir in diesem weißen Nirgendwo. Wir vereinbaren eine gedachte Linie zwischen zwei Bergrücken, die am Horizont kaum auszumachen sind – hier soll uns Alberto am nächsten Morgen wiederfinden. Dann wird es still … wir bleiben zurück, ganz allein auf dieser riesigen Fläche weißer Ödnis und es gibt nichts, an dem sich der Wind brechen könnte. Nur das Blut rauscht in unseren Ohren. Und als es dunkel wird, habe ich vollends das Gefühl, auf einem fremden Planeten zu stehen und in die Unendlichkeit des Universums zu blicken. Der stillste Ort der Reise?

Dennoch sind wir ziemlich erleichtert, als uns der Fahrer am nächsten Morgen auch ohne GPS wiederfindet … Gerade rechtzeitig verlassen wir die Stadt Uyuni, bevor Blockaden und Streiks – für Bolivien typisch – den gesamten Busverkehr lahm legen. Wir gönnen uns ein paar Tage Auszeit im schönen Sucre. Zelt, Kocher und Kleidung benötigen eine Generalreinigung. Wir auch. Und beim Kauf erster Souvenirs wird unsere Rückkehr Ende Juli plötzlich erschreckend greifbar.

Wir reisen weiter nach Cochabamba, in einem Bus, der scheinbar vom Staub der Jahre zusammengehalten wird. Viele Passagiere können weder lesen noch schreiben, es dauert eine Weile, bis ein jeder seinen Platz gefunden hat. Draußen ziehen namen- und schmucklose Siedlungen vorbei, Müllberge, Pommes-Buden. Nebenan wickelt und stillt eine Mutti ihr Kind, eine Oma transportiert ihren Hundwelpen im Plastikbeutel, irgendwann beginnt es (in den Bus) zu regnen – und uns beschleicht das unheimliche Gefühl, schon wieder in Asien zu sein …

Wir flüchten in das beschauliche Bergnest Toro Toro, gelegen im gleichnamigen Nationalpark, der vor urzeitlicher Schönheit strotzt. Die umliegende Landschaft bildete einst weites Grasland, das im Laufe der Jahrmillionen einsackte – die Abbruchkanten ragen nun ringsum in den Himmel, riesigen eingebrochenen Eisschollen gleich.

Die Menschen der Region sind meiner Kamera gegenüber ausgesprochen misstrauisch, verlangen Geld oder wenden sich gleich mürrisch ab.

Nur mit viel Geduld und höflichstem Spanisch erhalte ich schließlich die Erlaubnis.

Hauptattraktion des Parks sind die etwa 2.500 versteinerten Dinosaurierspuren und Fossilien, die noch nach über 65 Millionen Jahren an ausgedehnte Wanderungen der Riesen erinnern.

Versteinerte Klaue eines Velociraptor (oben…!).

Nach dem Diebstahl in Chile und der Sperrung der VISA-Karten neigen sich unsere Bargeldvorräte dem Ende. In Santa Cruz empfangen wir zwar pünktlich Daniels Notfall-VISA, doch die Hetzerei durch sämtliche Banken bleibt erfolglos. Weder die Notfall- noch meine verbleibende EC-Karte funktionieren hier, völlig entnervt sitzen wir schließlich auf dem Trockenen. Es bleibt nur der kostspielige Transfer über Western Union. Der Dank gilt unseren Eltern, ohne deren unermüdliche Hilfe wir nicht nur in dieser Situation schlicht aufgeschmissen wären!

Mit einer knattrigen Propellermaschine fliegen wir nach Rurrenabaque, einem schwülen Urwaldstädtchen am Rande des Madidi-Nationalparks. Dieser zählt zu den weltweit artenreichsten und größten Regenwaldschutzgebieten.

Um fragwürdige Touranbieter zu meiden, quartieren wir uns für vier Tage in einer kostspieligen Ecolodge ein, tief im Amazonas-Dschungel gelegen. Die Angestellten entstammen einer kleinen Urwaldkommune, ein Teil des Geldes fließt in deren Entwicklung. Mit Machete und Gummistiefeln pirschen wir durchs Dickicht, bald tauschen Daniel und der Guide die Rollen und es bleibt kein Zuckerkäfer, Morpho-Schmetterling und Kolibri unentdeckt.

Stundenlang harren wir auf einer Plattform nahe einer Wildschwein-Suhle aus, Daniel erspäht bei einer der nächtlichen Wanderungen gar einen Ozelot. Guide William spricht die Sprache der Tiere und lockt mit wildem Grunzen, pfeifendem Zwitschern und affigem Gebrüll allerhand Dschungelbewohner an.

William beim Bau eines ausgeklügelten Flaschenhalters.

Spuren einer Jaguarmutter mit Jungem.

Für uns ein Traum: Zelten im Dschungel.

Nachts tummeln sich handgroße Taranteln – das ist Thekla, unsere allabendliche Zeltwächterin.

Aufgrund vieler Empfehlungen reisen wir zügig weiter zum Lago Titicaca, dem höchsten schiffbaren See der Welt auf 3.800 m. Auf der viel gerühmten Isla del Sol erleben wir zwar farbenfrohe Dämmerungen, entfliehen dem touristischen Trubel aber schon nach einem Tag Richtung peruanische Grenze.

Kurz vor der Abfahrt nach Peru checken wir noch einmal unsere Mails. Und siehe da: meine VISA, per DHL-Kurierpost vor vier Wochen nach La Paz gesandt, ist doch tatsächlich noch in der Botschaft eingetroffen! Wieder zurück in der bolivianischen Regierungsstadt empfangen wir die Kreditkarte wirklich – jedoch mit erneuter Überraschung. Sie ist einmal quer in der Mitte geknickt, der Magnetstreifen unbrauchbar. Es ist zum Heulen… Doch zum Glück erweist sich der Chip als intakt und der bolivianische Geldautomat spuckt endlich frisches Geld aus!

Der „Pachamama“ werden getrocknete Lamaföten als Glücksbringer geopfert – hätten wir schon eher machen sollen?

Inzwischen verbindet uns mit Bolivien eine echte Hassliebe. Landschaftlich wahnsinnig kontrastreich, bewegten wir uns binnen weniger Tage zwischen Salzseen, Dschungel, zerklüfteten Felsen und schneebedeckten Andengipfeln. Doch wurden unsere Geduld und die reisemüden Nerven arg auf die Probe gestellt. Das Land wird beherrscht von Misswirtschaft, Korruption, Straßenblockaden, Fehlinformationen, Siesta, Stillstand. Im Verlauf eines einzigen Tages schwanken unsere Gefühle zwischen Begeisterung und absoluter Frustration. Nun geht’s weiter nach Peru, und so langsam rennt uns die Zeit bis zur Rückkehr nach Deutschland davon …