Peru & New York

26. Juni – 11. Juli 2014

Machu Picchu – ja oder nein? Abende lang diskutieren wir Für und Wider, sprechen doch Kosten, Besuchermassen und schlicht Zeitdruck gegen einen Besuch des neuen Weltwunders. Schließlich gehen wir die „Operation MP“ gemeinsam mit einem sympathischen Pärchen aus Stuttgart an.

Cusco, einstige Hauptstadt der Inkas, ist Ausgangspunkt für Touren nach Machu Picchu.

Die Inkastätte zählt in der Hauptsaison etwa 3.000 Besucher täglich, angeblich senkte sich der Berg bereits um einige Zentimeter. Von den etwa 100.000 Dollar Tagesumsatz scheint aber nur wenig in die umliegende Infrastruktur zu fließen. So fahren wir stundenlang am Rande schwindelerregender Abhänge auf staubigen Pisten, die kaum breiter als unser Bus sind, folgen zu Fuß einigen Kilometern rostiger Gleise und starten schließlich vom Bergdorf Aquas Calientes aus den „Gipfelsturm“ um 4:30 Uhr früh. Die Alternative wären Zugtickets für schlappe 140 Dollar pro Person … In Anbetracht der touristischen Vermarktung dieses Welterbes ist die verkehrstechnische Anbindung schlicht ein Witz.

Neben der Landwirtschaft trieben die Inka hier vor allem astrologische Studien voran. Während der Invasion der spanischen Conquistadores kappten sie alle Zugangswege. Die Stadt, wunderschön auf einem Hochplateau inmitten eines Nebelwaldes gelegen, geriet bis ins 20. Jahrhundert in Vergessenheit. Wir sind beeindruckt und bereuen den Besuch nicht.

Leider bleibt wenig Zeit für das abwechslungsreiche Peru, hetzen wollen wir jedoch auch nicht und so entscheiden wir uns für eine ausgiebige Wanderung durch die Cordillera Blanca. Diese bildet gemeinsam mit den benachbarten Cordilleras Huayhuash die zweithöchste Gebirgskette weltweit. Da unsere guten Rucksäcke nun chilenischen Dieben zu ausgedehnten Trekkingtouren verhelfen, brauchen wir starke Unterstützung. Drei Esel schleppen unser Gepäck – schon ein komisches, wenn auch erleichterndes Gefühl.

Der Santa Cruz-Trek führt auf bis zu 4.800 m Höhe. Vier Tage lang passieren wir moosbewachsene Täler und kampieren am Fuße der höchsten Bergkolosse Perus.

Nicht nur aufgrund der schroffen Berglandschaft erinnert der Trek an unsere Nepaltour. Das einfache, bäuerliche Leben der Peruaner hier, deren fröhliche Musik in den Morgenstunden und rauchende Hütten wecken einige Erinnerungen an die wohl intensivste Zeit dieser Reise.

Nach fünf Tagen erreichen wir den Höhepunkt der Wanderung, die Laguna 69 auf circa 4.600 m Höhe. Doch regnet es für die Trockenzeit des Jahres ungewöhnlich oft. Unser schöner Plan, zur Lagune noch vor dem Morgengrauen aufzusteigen, wird von gefrierendem Regen jäh durchkreuzt, der Zelt und Pfade mit einer dünnen Eisschicht überzieht. Einen fantastischen Sonnenaufgang genießen wir trotzdem – mit Blick auf den Huascarán, höchster Berg Perus (6.768 m).

Erst nachdem die Sonne das Eis etwas geschmolzen hat, beginnen wir den Aufstieg zur Lagune. Von Gletschern fein gemahlener Fels, Steinmehl genannt, verleiht dem Wasser seine typische, türkisblaue Färbung.

Zurück in der Zivilisation lädt uns Epi zum peruanischen Mittagessen mit seiner Familie ein. Entspannt spiele ich mit seiner fünfjährigen Tochter – bis aufgetischt wird. Auf Daniels Teller befindet sich ein frittiertes Meerschwein. Mitsamt Kopf, Nagezähnen und Skelett. In Peru eine kostspielige Delikatesse für besondere Anlässe …

Schmeckt wie Kaninchen, nur zäh.

Leider vergeht die Zeit in Peru viel zu schnell, wir ärgern uns, die Flugtickets Richtung New York schon ein halbes Jahr im Voraus gebucht zu haben. Mit dem Versprechen an Epi, in ein paar Jahren erneut auf ein Meerschweinchen vorbeizukommen, verlassen wir Huaraz. Die Ankunft auf dem New Yorker JFK-Flughafen gleicht einer Mondlandung, mehr Kontrastprogramm geht nicht. Auf dem Weg nach Island dient die Metropole als Stop over, den wir allerdings auf vier Tage ausdehnen. Sehnsüchtig warten wir am Gepäckband auf Daniels Packsack. Vergebens. Kleidung, Stativ, Ladegeräte, Zelt, Kocher und Schlafsack wurden irgendwie verschusselt und sind weg …!

Wir ahnen den später folgenden Gepäckstress und fahren erst einmal zu unserer Air-B’n’B-Familie nach Queens. Air B’n’B ist vergleichbar mit Couchsurfing, nur zahlt man hier für sein Zimmer, was aber in Anbetracht der New Yorker Hotelpreise Pfennigbeträgen gleicht. Ein echtes Zuhause für uns, in direkter Nachbarschaft zu Manhattan.

New York sorgt für permanentes Herzklopfen. Klischee und sämtliche Erwartungen werden weit übertroffen, so pulsiert, feiert, spielen die Stadt und ihre Menschen verrückt.

Harry Potter ist auch da.

Am Broadway machen wir dem angestauten Gepäckfrust beim Powershopping Luft. Daniel plagt sich mehrere Stunden täglich am geborgten Telefon (sein Handy steckt ja im Packsack). Immer wieder versichert die Airline, das Gepäck käme am folgenden Tag in New York an, doch der Weg von der Abstellkammer zum Flieger scheint lang und mühsam. Island ohne Campingausrüstung – unvorstellbar …

Das WM-Finale schauen wir klassisch in einem Pub, bei 9 Dollar pro Bier verkneifen wir uns allerdings den Absturz. Schon nach dem Spiel gegen Brasilien gaben uns die Peruaner herzliche Glückwünsche mit auf den Weg. „You are the best!“ rufen uns nun die Amis zu, einer spendiert sogar die Pizza zum WM-Sieg. Auch die Airline regt sich endlich: eine Flughafenmitarbeiterin klappert alle Möglichkeiten ab und findet den Rucksack zerschlissen in der New Yorker Cargo-Abteilung. Kurz vor dem Check-In nach Island nehmen wir das gute Stück überglücklich in Empfang.

Noch zwei Wochen verbleiben von unserer Reise, für mich gibt es kein schöneres Finale als auf dieser rauen, naturgewaltigen Insel unweit der Arktis.