Island

12. Juli – 28. Juli 2014

Ich weiß nicht, ob mich damals ein Troll verzaubert hat – seit der letzten Islandreise 2012 verging kaum ein Tag, an dem ich nicht an diese naturgewaltige Insel gedacht habe. Eine Rückkehr stand außer Frage. Und so verbringen wir, armer Daniel, das Ende dieser Reise im kalten, eher regnerischen Norden anstelle eines karibischen Inselidylls. Entspannt wollen wir Island im Mietwagen umrunden, zelten dürfen wir hier überall. Und dass die Sonne erst um 23 Uhr unter und schon drei Stunden später wieder aufgeht, spielt uns prima in die Hände.

Die asphaltierte Ringstraße führt um das gesamte Festland. Wir beginnen im Westen auf der Snæfellsnes-Halbinsel, von der behauptet wird, sie sei ganz Island in kompakter Form: ein Gletscher thront hier über weites Hügelland, schroffe Lavafelder und romantisch-nordische Kirkjas.

Leider, so versichern uns mehrere Isländer, bringe dieser Sommer ganz besonders viel Regen mit sich. Da es allerdings meist nur kurz schauert und die Temperaturen nicht unter 10°C fallen, erscheint uns das Zelten hier weitaus angenehmer als in den 4000 m Höhenlagen in Chile oder Peru.

Eine „Nature Fee“ ist seit diesem Jahr an einigen Spots nahe des Mývatnim Norden zu entrichten – es braucht neue, trittsichere Pfade für derart viele Touristen. 300.000 Einwohner zählt das Land, mehr als doppelt so viele Besucher „überrollen“ die Insel während der Sommermonate. Nach der Finanzkrise liegen die Preise nach wie vor um rund 50 % tiefer als vor 2008. Heute kostet ein einfaches Doppelzimmer „nur noch“ zwischen 100 und 150 € pro Nacht, ein günstigeres Essen im Restaurant 20-30 €, die Flasche Brennspiritus für den Kocher 15 €.

Solfatare nahe des Mývatn. Brodelnde Schlammlöcher, aus denen der Duft fauler Eier tritt. Schwefel färbt die Umgebung ockerfarben.

Island zählt zu den geologisch aktivsten Zonen der Erde; die eurasische und amerikanische Kontinentalplatte driften hier am mittelatlantischen Rücken auseinander. Noch heute dampft das Lavafeld Leirhnjúkur bedrohlich nach einem Vulkanausbruch in den 1980er Jahren. Nach wie vor ziehen sich Wanderer heikle Verbrennungen zu, heben sie den falschen Stein auf oder verlassen sie die vorgegeben Wege.

Die Nähe zur Arktis und damit verbunden der niedrige Sonnenstand ermöglichten die Bildung riesiger Gletscher, der Vatnajökull etwa ist Drittgrößter weltweit. Gewaltige Wasserfälle, durch unzählige Gletscherflüsse gespeist, entstehen – so auch der Dettifoss, Europas wasserreichster Wasserfall.

Eher ein Bächlein dagegen: der Goðafoss.

Wir folgen dem schönen Wetter in die östliche Fjordlandschaft. Die angenehm wärmende Mitternachtssonne und der Duft von Wiesenblumen und Wollgräsern bringen laue, schier endlose Sommertage. Beseelte Urlaubsstimmung …

Drei Stunden harrt Daniel auf einem Felsen des Borgarfjördur aus, um „das perfekte“ Foto (…) eines Papageitauchers zu schießen. Die Vögel erinnern mit ihrem plumpen, aufrechten Gang an Pinguine, nur können sie fliegen und mithilfe von Dornen im Schnabel mehrere Fische gleichzeitig transportieren.

Leider rafft die Meereserwärmung ihre Nahrung dahin, die „Clowns der Lüfte“ sind vom Aussterben bedroht. In isländischen Pfannen landen sie trotzdem. Wir treffen gar auf Touristen, die es als „Urlaubs-Muss“ ansehen, Papageitaucher zu kosten …

Wie schon 2012 verweilen wir einige Stunden bei Jökulsárlón. Eisberge des Vatnajökull kalben in diese ins Meer mündende Lagune. Heute scheint jedoch die Besucherzahl doppelt so groß, sodass wir bis Mitternacht bleiben um in Ruhe das bizarre Naturphänomen zu genießen.

Nicht nur hier nutze ich Daniels ausgiebige Fotoausflüge zum Nachdenken über Reise und Heimkehr. Noch nie zuvor fühlte ich mich innerlich derart zerrissen: einerseits freue ich mich wahnsinnig auf zu Hause, andererseits reizt die Ferne, locken neue Ländern ähnlich stark.

Wir lassen unsere Reise in Islands sozialem Austauschforum ausklingen – im Hot Pool. Nicht Café oder Pub werden hier zum Quatschen angesteuert, sondern das örtliche Schwimmbad. Leider wurde das Foto von mir im Eiswasserbad unwiederbringlich gelöscht. Was mit unseren Erinnerungen und Erlebnissen glücklicherweise nicht so einfach passieren kann. Besonders genossen wir die vier Monate unabhängigen Reisens mit Zelt und Wagen in Ozeanien, Chile und Island. Nepal hat uns die tatsächlichen Grenzen unserer physischen und psychischen Leistungsfähigkeit gezeigt. Auch unsere Familien waren wohl ständigen nervlichen Anspannungen ausgesetzt – vielen vielen Dank an dieser Stelle für die Unterstützung! Den Emailschreibern und Daumendrückern ebenso ein herzliches Dankeschön – mithilfe eurer lieben Worte und Grüße fühlten wir uns selbst im vermeintlich letzten Winkel der Welt wie zu Hause. Weiterhin freuen wir uns riesig über die tollen Bekanntschaften dieser Reise – und vor allem auf das Wiedersehen in Deutschland und der Schweiz!

Nicht nur unsere Persönlichkeiten, vor allem das vertrauliche Band zwischen uns erfuhr eine ungemeine Stärkung, die uns der bisherige „Alltag“ nie hätte ermöglichen können. Ein in vollem Maße erfüllendes Jahr; die schönste Zeit unseres Lebens – bisher.